Nicht barhuf laufen tut weh - laufen auf kranken Hufen tut weh !Anfangssituation:Die Stute hatte sich bei einem Unfall eine Wand verletzt, fortan war die Wand hohl. Der Schmied und der Tierarzt rieten zu einer Hufwandresektion, d.h. zu einem operativen Eingriff, bei dem die hohle Wand in der Klinik wegperiert würde bis zu der Stelle, an der sie noch Anbindung hat. Mir wurde die Stute kurz nach der Operation direkt nach dem Klinikaufenthalt vorgestellt, sie hatte noch den Gipsverband unter dem Huf, der laut Klinikärzten noch mindestens einen Monat drunter bleiben müsse, danach sei unbedingt ein orthopädischer Spezialbeschlag mit Hufkapselstabilisierung erforderlich.Erster Eindruck:Die Stute lief etwas klamm und fühlig, wir entfernten erst einmal den Gips, nachdem ich Fotos von dem Huf direkt nach OP gezeigt bekommen hatte.Der Gips war innen schon mit fauligem, feuchem Horn ausgefüllt, es stank faulig und nach Kot- und Urinresten, obwohl die Pferdebesitzerin alles bei der Boxenhygiene tat, was nur menschenmöglich war.Der Strahl war gammelig, weich, das Sohlenhorn weich und aufgelöst durch das feucht-warme Klima im Gips.Wir entschieden: Das geht barhuf!Als erstes reinigten wir den Huf von den Gipsresten, ich schnitt alles faulige Horn vom Strahl weg, der Huf wurde fortan akribisch hygienisch und sauber gehalten, rundum täglich desinfiziert und die Hufkapsel als erstes ausbalanciert und jegliche Wandüberstände entfernt. Das Pferdegewicht durfte auf keinen Fall einseitig auf Tragrandüberstand stehen, sondern die leider mittlerweile superweiche Sohle, der leider zersetzte, unterentwickelte Strahl und die Wände sollten sich das Gewicht des Pferdes teilen. Die Trachten wurden zurückgesetzt, denn sie waren zu lang und schoben leicht nach vorn. Dem Pferd wurden anfangs noch saubere Verbände nach der Desinfektion und Reinigung vorübergehend gemacht, mit diesem sauberen, trockenen Huf im trockenen Verband wurde es in einen dämpfenden, polsternden Krankenschuh gestellt, damit es sich möglichst viel bewegen mag und es durfte fortan wieder mit seinem Kumpel im Paddock und auf der Weide laufen. Bewegung ist für das Hornwachstum das einzig Wahre, damit es keine Schmerzen für das Pferd gibt, weil der Strahl und die Sohle sich erst aushärten und nachwachsen mussten, wurde dem Pferd eben der Krankenschuh angezogen. Am 25. August 2011 sah der Huf dann folgendermaßen aus. Die Wandlederhaut hatte ein Kithorn gebildet als Schutzschicht für das Hufbein und die freigelegte Lederhaut, so dass unten in der Sohlenansicht der Eindruck entstehen könnte, da sei Wandhorn vorhanden. Zum teil richtig, Wandhorn besteht ja auch einer Hornmischung aus Hornröhrchen, die in der Kronlederhaut gebildet werden und Zwischenröhrchenhorn, das in der Wandlederhaut gebildet wird. Wird die Hornwand durch einen Unfall abgesprengt, bildet die wandlederhaut schnell dieses Zwischenröhrchenhorn als Schutzschicht, die Lederhaut ist also fortan geschützt vor Wind und Wetter und vor allem vor Schmutz! Der Krankenschuh und der Verband wurden jetzt also weg gelassen, denn der Huf hatte sich selbst geholfen. der Strahl war gesundet, die Sohle hatte dicke Sohlenschwielen aufgebaut, auf dem das Pferd immer besser laufen konnte. Wieder wurde Zerfallshorn aus der Sohle entfernt, die Hornkapsel ausbalanciert, alle Hebel entfernt, weitere Hygienemaßnahmen wurden besprochen. der Huf sollte mindestens 1 x täglich sauber gemacht und desinfiziert werden, auch über Nacht abtrocknen können, durfte aber ohne Polster, ohne Verband, also komplatt barhuf auch in nasser (abgeäppelter) Weide und Paddock laufen. Nachts für die Boxenphase lieber den sauberen Krankenschuh anziehen wegen der Hygiene, die mit am wichtigsten war in dieser Phase.Und das Horn wuchs ohne Ende, das Pferd lief immer besser über die nächsten Wochen.Es ist wahnsinnig spannend, wie schnell Horn wachsen kann, wenn der Huf eine Verletzung hat. Die Huf-Selbstheilungskräfte muss man nur ankurbeln und ihnen vertrauen.Am 26. Oktober 2011 sah der Huf dann erstaunlicherweise schon so aus:Leider waren die Bearbeitungsintervalle nicht so kurz, als dass die Hebel der nachwachsenden Wand immer weg geblieben wären, aber der Huf ist auch wirklich sehr schnell gewachsen. Man sieht ganz deutlich, wie gerade die Wand oben aus dem Kronrand entspringt, obwohl der äußere-vordere Hufbereich gar keine Wand im Bodenkontakt gehabt hat.Man erkennt, dass auch das Kithorn im unteren Bereich wegbricht, weil es zu lang geworden ist. Diese Wandbrocken sind das Kithorn, was wegbricht. (rote Pfeile) Die Einblutungen, die sich an den Wandbereichen gebildet hatten, weil sie anfangs mit dem belassenen Tragrandüberstand überlastet war, wachsen heraus, ohne dass es neue Einblutungen gibt. Die Bilder sind immer vor der Bearbeitung aufgenommen, damit man die Hufentwicklung besser sehen kann! Noch wirkt der Huf sehr lang und die Wand hochgeschoben am Kronrand, aber die Wand ist rundum auf Sohlenniveau (und darunter an bestimmten Bereichen), die Sohle hat als Reaktion auf den Eingriff eine sehr dicke Schwiele gebildet. Es wird ein kürzerer Huf werden, wenn die Wand noch weiter herunter gewachsen ist und die Sohlenschwielen anfangen, wegzubröckeln.Dann war eine Bearbeitung ausgefallen wegen Urlaub der Besitzerin und sie hat versucht, die Hebel wegzuhalten, hat einmal den Schmied etwas nachschneiden lassen, damit sich keine starken Imbalancen bilden, sie hat immer berundet und versucht, die Hebel des Wandhorns komplett wegzunehmen. Und ja, der Huf heilt weiter, wächst wie Unkraut, es sind leider ein paar Imbalancen entstanden durch zu starke Hebel bei zu langen Bearbeitungsintervallen, ein paar zusätzliche Risse sind entstanden, aber nichts Bedenkliches, das war eigentlich zu erwarten gewesen, das wird bei der Feinarbeit rauswachsen, die folgt, sobald die Wand rundum wieder Tragkraft hat!. Am 11.Januar 2012, also knapp 6 Monate nach der OP, sieht der Huf nun so aus. (Diesmal habe ich vorher-Fotos vergessen gehabt, also nachher-Fotos nach der Bearbeitung): Die roten Pfeile zeigen auf die Oberkante der ehemaligen großen wandlosen Stelle, es ist fast herausgewachsen nach nur 6 Monaten!Das nenne ich Selbstheilungskraft des Hufes!Der Kronrand hat sich entspannt, die Wand im oberen Bereich wächst immer gerader. Natürlich wurde der Huf während dieser Nachwachs-Phase ungleich belastet, natürlich hat sich die Innenseite dadurch gestaucht, aber hey, es ist weder die Kapsel durchgebrochen, noch der Huf auseinander geklappt. Es gibt keine neuen Einblutungen, die alten wachsen heraus (blauer Pfeil). Jetzt, wo die Wand wieder den Boden rundum berührt, wird der Huf nun wieder gleichmäßig belastet und ganz gerade wachsen.Der Kronrand hat sich sichtlich entspannt.Das Wandhorn ist fast unten angekommen, eine Wahnsinns-Leistung, oder?Das Pferd wird schon länger wieder geritten, bekommt jetzt aber wegen Sorgen vor zu hohem Abrieb für die zukünftigen Ausritte Hufschuhe angepasst, die es aber nur dann tragen soll, wenn es fühlig laufen sollte (ich vermute, also sehr selten).Die entstandenen Risse werden wir jetzt innerhalb der nächsten Durchwachsperiode rauswachsen lassen, wenn wir weiter dran bleiben, die Hebel zu entfernen, die diese Risse durch Ungleichbelastung und Hebelwirkung entstehen ließen. Das ist nun die folgende Feinarbeit. Aber wir haben wieder fast einen kompletten Huf! Der Huf fängt an, eine Sohlenwölbung auszubilden. Um die Strahlspitze herum bröckelt das dicke Schwielenhorn bereits weg, die Strahlfäule muss weiter in Schacht gehalten werden, da gibt es ein auf und ab. Die Hornqualität ist gut, die Wände sind dick, man sieht die Oberkante des resizierten Bereiches noch (rote Pfeile), man erkennt noch die Mehrbelastung auf dem inneren Hufbereich, aber das wird in Zulkunft ausbalancierter belastet werden und der ganze Huf insgesamt entspannter und gerader herunterwachsen.Ich werde in regelmäßigen Abständen weiter berichten.Die Pferdebesitzerin gab mir die Einwilligung, diese Bilder hier einzustellen, weil sie damals, als es um die Entscheidung ging, ob OP und wie danach weiter verfahren, kaum Alternativen im Internet fand. Dies soll allen anderen Pferdebesitzern in ähnlichen Situationen Mut machen. Es geht auch barhuf! Und diverse Schmiede haben schon erstaunt gesagt, dass sie eine so schnelle und gute Besserung barhuf vorher nicht für möglich gehalten hätten.Danke für diesen offenen Gedankenaustausch!Und danke für das Vertrauen, liebe Pferdebesitzerin! :-)